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Psalmen-Singen im Gottesdienst
zwischen Braunschweig und Schierstein
Von Laura Hafner
Im vergangenen Jahr unternahmen mein Mann (für Familienforschung) und ich eine kurze Reise nach Braunschweig. Ein paar Wochen vorher kam mir der Gedanke, man könnte dort vielleicht die Kirche „St. Ulrici Brüdern“ besuchen, deren Stempel unsere alten Kantionale schmückt (also die kleinen Bücher, aus denen seit Jahrzehnten in Schierstein im Gottesdienst gesungen wird). An dieser Kirche war Johannes Krüger, der Vorgänger von Martin Lutz und Clemens Bosselmann, tätig gewesen, bevor er 1962 als Kantor nach Schierstein kam und aus dem Kirchenchor die Kantorei gründete.
Gesagt getan, schrieb ich dem Organisten, der mich an den Vorsitzenden des Kirchenvorstandes weiterverwies – Michael Heinrich Schormann, seines Zeichens Historiker und offenbar überdurchschnittlich an Kirchenmusik interessiert. Es ergab sich ein interessanter schriftlicher Austausch.
Unser Kantionale datiert 1959, wurde also von Krüger in seiner Braunschweiger Zeit (1952–60) zusammengestellt und „den Jungen der Schola der Brüdernkirche St. Ulrici zu Braunschweig gewidmet“. Krüger brachte sein Kantionale mit nach Schierstein. In den 1970er und 80er Jahren sang hier noch die Kurrende die Psalmen, manchmal singt sie der Kantor auch alleine. (Anm. d. Red.: Eine Kurrende war ursprünglich ein aus bedürftigen Schülern bestehender Chor an protestantischen Schulen, der unter Leitung eines älteren Schülers von Haus zu Haus zog oder bei Festen und Ähnlichem für Geld sang. Die Bindung zur evangelischen Kirche erfolgte in der Reformationszeit.) Aktuell singen wir sie meist in einer kleinen Schola von 3 bis 4 Personen, je nach Verfügbarkeit, und seit einiger Zeit wenn möglich sogar mehrstimmig.
In Braunschweig besuchten wir schließlich wie versprochen den Gottesdienst in „Brüdern“ (wie St. Ulrici genannt wird). Und siehe da: Hier gibt es parallel zu Schierstein – bisher in gegenseitiger Unkenntnis voneinander! – auch immer noch und weiterhin die Tradition, dass die gleichen Antiphonen sowie die Psalmen des jeweiligen Sonntags auf „Psalmtöne“ verteilt gesungen werden, nach einem ganz ähnlichen Muster. Hierbei ist die Besonderheit, dass die Musik ja nicht ausnotiert ist, sondern nach bestimmten Regeln (und manchmal auch nach Gefühl) auf den Text verteilt wird. Die Schola bestand noch aus zwei Herren. Überraschend war: Nicht nur sie selbst, sondern die ganze Gemeinde singt bzw. rezitiert gemeinsam die Psalmen. Ein besonderes, bewegendes Erlebnis für die beiden Gäste aus Schierstein.